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Ich schreibe, um zu entwerfen. Die Texte sind keine nachträglichen Erklärungen, sondern Teil des Prozesses. Sie dienen weniger der Mitteilung als der Selbstverständigung.

Gestaltung ist für mich nicht rein funktional, Kunst nicht rein autonom. Beide operieren in Systemen, beide erzeugen Bedeutung. Ihre Trennung ist historisch, nicht notwendig.

Was folgt, sind Notate aus dem Arbeitsprozess. Fragmente, Beobachtungen, Versuche, Klarheit zu gewinnen – nicht über das Werk, sondern über das Arbeiten selbst.

there is no final image (03.07.2025)

Fotografie ist nicht Sehen, sondern eine bestimmte Weise, zu sehen. Sie ersetzt nicht die Wirklichkeit, sie interpretiert sie, ohne sich je ganz auf sie einzulassen. Sie fragmentiert, rahmt, selektiert. Die moderne Sehart, durch und durch fotografisch geprägt, trennt das Reale in Details, Schnitte, Notizen. Was gezeigt wird, gewinnt Geltung; was unsichtbar bleibt, verschwindet. So wird Fotografie zu einer Macht – nicht weil sie Wirklichkeit abbildet, sondern weil sie entscheidet, was als wirklich erscheint.

Das Foto verleiht dem Ereignis Gewicht. Es markiert, was wahrgenommen werden soll, und verdrängt zugleich das, was sich der Linse entzieht. Die Kamera ist ein Apparat der Realitätserzeugung – nicht weil sie die Dinge zeigt, sondern weil sie sie formatiert. Sie erlaubt uns, etwas als „real“ zu akzeptieren, ohne es verstehen zu müssen. In dieser Bewegung steckt ein Paradox: Das Bild dokumentiert, aber es erschöpft nichts. Es zeigt, aber es erklärt nicht.

eine Form der Aneignung, der Kontrolle, der symbolischen Gewalt. Und doch – das Bild bleibt ambivalent. Es ruft auf zur Empathie und stumpft zugleich ab. Es verleiht Bedeutung und leert sie aus. Es ruft zur Erkenntnis – aber nur selten kommt es dazu.

Die moderne Fotografie kennt kein Ende. Sie häuft Bilder an, nicht Wahrheit. Sie feiert das Fragment, nicht die Synthese. In einer Welt, die von Sichtbarkeit besessen ist, wird das Unsichtbare nicht einfach übersehen, sondern systematisch ausgeschlossen. Es gibt keinen endgültigen Blick, kein letztes Bild. Nur eine unaufhörliche Folge von Sichtbarkeiten, die einander ersetzen, überlagern, zum Verschwinden bringen.

there is no final image.



Design und Kunst (12.06.2025)

Design ist nicht Kunst. Das ist keine Wertung, sondern eine Feststellung. Kunst ist ein spezielles gesellschaftliches System. Sie hat ihre Orte – Museen, Galerien –, ihre Vermittler – Kritiker, Theoretiker –, ihre eigene Sprache, Geschichte und Ökonomie. Innerhalb dieses Systems werden Werke produziert, die auf diese Struktur reagieren. Insofern ist Kunst ein Produkt – oder besser: eine Praxis –, die innerhalb einer bestimmten Infrastruktur funktioniert. Und genau in dieser Funktionalität ähnelt sie dem Design. Kunst ist eine Form von Gestaltung.

Im 20. Jahrhundert hat sich das Verhältnis von Kunst und Design mehrfach verändert. In der frühen Moderne – etwa bei Moholy-Nagy oder El Lissitzky – gab es die Idee, Kunst und Gestaltung zu vereinen. Kunst sollte Teil des Alltags werden, nicht mehr distanziertes Bild, sondern Gebrauch. Diese Idee war nicht dekorativ, sondern politisch: Sie wollte die Gesellschaft verändern.

Später, mit dem späten Modernismus, trat ein Umdenken ein. Vertreter wie Wim Crouwel oder Gerrit Rietveld (in seiner späten Phase) wandten sich gegen diese Verbindung. Für sie war Gestaltung funktional, Kunst dagegen frei oder überflüssig. Das bedeutete eine Trennung von Kunst und Gebrauch, von Idee und Anwendung.

Reyner Banham beschrieb dieses Auseinanderdriften als einen historischen Bruch. Der Anspruch, Kunst und Leben zu verbinden, wurde zugunsten von Effizienz und Nützlichkeit aufgegeben. Der späte Modernismus bevorzugte das Klare, das Brauchbare – nicht das Poetische.

Heute ist es notwendig, über diese Trennung neu nachzudenken. Es geht nicht um eine Rückkehr zur alten Synthese, sondern um ein Bewusstsein für ihre Geschichte. Design und Kunst sind nicht dasselbe. Aber sie können, unter bestimmten Bedingungen, aufeinander bezogen werden. Dieses Verhältnis zu klären, ist Teil der gestalterischen Aufgabe.



Jede:r kennt das (14.12.2024)


Zwischen Tür und Angel – wie man so sagt. Und plötzlich wird das Ding, das zufällig vor dir liegt – ein Kaffeerest, ein Zeitungsschnipsel, ein Satz irgendwo in der Luft – zu einem Bild. Glasklar. Für zwei Sekunden sieht alles aus, als hätte es Bedeutung. Nicht groß. Nicht weltbewegend. Aber präzise. Ein Schnittpunkt. Offen. Isoliert.

Es geht nicht mehr um große Konzepte, nicht um die Quadratur von irgendwas. Es geht um Hinschauen. Um die richtige Einstellung. Zum Beispiel: Der Löffel in der Tasse. Die Bewegung, wie du ihn drehst, obwohl du längst fertig bist. Dann kommt jemand rein und fragt: „Gehen wir heute Abend in die Spätvorstellung?“ Und du denkst: Die Milch schwappt. Der Kosmos dehnt sich aus. Irgendwer sagt: „Mein Kaugummi ist alle.“ Irgendwo steht: „Die milde Witterung lockt Menschen in den Kölner Rheinpark.“ Und alles ist gleichzeitig absurd und richtig.

Die Unterhaltung geht weiter. Jemand erzählt was. Du hörst zu.
Oder auch nicht. Ein Bild entsteht. Oder ein Moment, den es so nie gab – aber der trotzdem stimmt.

Und ja: Man könnte das jetzt einfach aufschreiben. Als Gedicht. Als Notiz. Als Stimme in einem Moodfilm. Man müsste nur skrupellos genug sein, den Moment zu klauen.

Also: Sieh hin. Fass es an. Was fühlst du? Metall? Porzellan? Eine alte Kippe zwischen Zeige- und Mittelfinger?

Und sonst – geht’s dir gut?

Vergiss für einen Moment, dass es Kunst gibt. Fang einfach an.